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Von Traurigkeit und viel Bitterkeit

Was ich immer schon mal sagen wollte


Die Fotografie begleitet mich den größten Teil meines Lebens, sowohl als Beruf, als auch als eine große Leidenschaft. Mit ihr habe ich viele Aufs und Abs erlebt.


Die erste Hochphase, die ich miterleben durfte, begann in einer Zeit, als die Spiegelreflexfotografie „massenkompatibel“ wurde. Mit Kameras wie einer Pentax LX, einer Canon AE1, einer Minolta XD-7, einer OM-2, Contax RTS und wie sie alles heissen, wurden Ende der 70er, Anfang der 80er Jahren Kameras produziert, die bis heute Klassiker sind. 

Zu dieser Zeit waren Kameras in einer Preisklasse angesiedelt, dass man noch drauf sparen musste, dann mit dem Kauf eine Hochzeit mit seiner Traumkamera eingegangen ist, und für viele Jahre eine stolze Beziehung pflegte. Man lernte Autofahren mit einem VW-Käfer, lernte fotografieren mit einer Minolta SRT 101 und im Radio spielten sie Stumblin’ in von Suzi Quattro und Chris Norman. Die Zeiten waren unbeschwert und schön.


Im Zweijahresturnus wurden die Männer aus aller Welt im September nach Köln geschickt, um die Fotografie mit allen Facetten auf der photokina in Köln zu erleben. Und die Fotoindustrie empfing vornehmlich männliche Besucher um die gerade vorgestellten Neuheiten zu präsentieren. Hierfür haben sie riesige Hallen angemietet, oder wagenburgengleiche Messestände, mit Grundflächen mit nicht selten weit über 1000 qm, gebaut.

Hier trafen sich hinter verschlossenen Türen, Händler und Industrie, und nicht selten wurden hier die Weihnachtsdispositionen getroffen. Um in Ruhe Geschäfte zu tätigen, waren Endverbraucher nur an speziellen Tagen zugelassen, mussten dann aber das Erlebnis photokina mit rund 40 DM teuer erkaufen.

Aber es lohnte sich. Die Kamera um den Hals, besuchte man „seinen“ Hersteller, um die Loyalität zu bekunden und sich mit Kugelschreibern, Schlüsselbänder, Luftmatratzen, Wasserbällen und Ähnlichem den Eintrittspreis zu refinanzieren.


Fotogeräte entwickelten sich weiter, und wurden immer mehr zu einem Massengut. Waren Photoapparate zunächst noch etwas Besonderes, so gab sich die Industrie viel Mühe, immer mehr Kameras für immer weniger Geld anzubieten. Gleichzeitig gab es diese neuaufkommenden Elektronikfachmärkte, die alle die für blöd hielten, die die Preise von Fachhändlern bezahlten, und machten die eh schon preiswerten Kameras noch preiswerter. 

Da kam es den Supermärkten gerade gelegen, dass Fotoapparate, immer besser ausgestattet waren, aber gleichzeitig auch immer einfacher in der Fertigung wurden. Dem Kunden war es nicht unangenehm jetzt nur noch leichtere Kameras bei sich tragen zu müssen, und das mit den unnötigen Objektivwechseln kam dank der immer perfekter ausgestatteter Kompaktkameras mit ihren Riesenzooms immer mehr aus der Mode. Kameras waren nur noch von bestimmten Herstellern ein Statussymbol, und dieser ganz besondere Zauber von Fotokameras, ging immer mehr verloren, während auf der anderen Seite die Ausstattung immer umfangreicher wurde.. 


Die Industrie gab sich alle Mühe in immer schneller werdenden Intervallen, immer mehr Produkte zu produzieren. Als Partner dafür waren schnell die Elektronikmärkte ausgemacht, die dann diese Produkte zu immer günstigeren Preisen in den Markt pressten. Die stolzen Besitzer der ehedem so wertvollen Spiegelreflexkameras, waren schnell auch Sonderlinge. Köln wurde als der Ort auserkoren, wo sie niemanden weh tun können. Der Fachhandel kam zwar auch immer noch brav zur photokina und hat gern eine Wurst und ein Glas Wasser mitgenommen, aber geordert wurde nicht mehr wirklich, denn wer weiß denn im September, wie sich die Preise bis Dezember entwickeln. 

Aber wenn die Preise fallen, stiegen auf der anderen Seite die Kosten. Und um diese zu sparen wurde das Messegelände immer weiter verkleinert und die Messezeit immer weiter verkürzt. Aber ein Messestand kostet den Ausstellern in der Konstruktion bis zu mehreren Hunterttausend Euros, egal ob für 10 Tage, oder wie zum Schluß für 5 Tage. Auch hier ging es trotz steigender Absätze nicht mehr so gut. Schließlich half alles nichts, weder Industrie, noch Handel und erst Recht nicht die abnehmende Besucherzahl konnten die endgültige Schliessung der Photokinatore verhindern. 


Dabei erlebte die Fotografie gerade mal wieder eine Höhenflug. Der Film wurde zum Relikt der fotografischen Steinzeit und Megapixel sind immer mehr die einzigen Werte die noch zählen.

Viele Fotohändler konnten allerdings den immer kürzeren Modellintervallen, den Sonderangeboten der Elektronikmärkte, dem aufkommenden Internethandel und den steigenden Kosten nicht mehr Stand halten und mussten auch ihre Türen für immer schliessen. Gab es früher z.B. in Hamburg in der Haupteinkaufsstraße auf 500 m rund 10 Fotogeschäfte, ist entlang der Hamburger Prachtmeilen heute kein Fotohändler mehr ansässig, und auch die damals noch so tollen Elektronikfachmärkte haben das Angebot auf ein Minimum reduziert. 

Da wo früher Fotogeschäfte als Dienstleister den kompletten Service für Fotografinnen und Fotografen anboten, bieten heute Mobilfunk-Netzbetreiber kleine Smartphones an, mit denen dank viel „Künstliche Intelligenz“ Fotos erstellt werden, wie man sie es sich wünscht. Störende Elemente in Bildern, dunkle Wolken oder falsches Beiwerk ist heute mit wenigen, schnellen Wischgesten weggewischt und da perfekte Bild kann direkt im Welt Weiten Web geteilt werden.


Da sind die Künstler mit ihren großen und schweren Geräten, die die Wirklichkeit so dokumentieren wie sie wirklich ist, doch echte Exoten.

Auf der Straße wird es den Fotografen beim dokumentieren des jetzt und hier schon mal untersagt zu Fotografieren, zu groß ist die Angst, dass da ein Fotograf irgendetwas „ausspioniert“, während gleich nebenan der Spanner mit seinem Smartphone unbehelligt alles aufnimmt, auch Dinge, vor denen selbst eingefleischte Fotografen Respekt haben. Wie z.B. in den vielen Konzerthäusern, in denen schon am Eingang durch Aufkleber mitgeteilt wird, dass hier Fotografieren nicht geduldet wird, ich aber zum Teil kaum dem Geschehen auf der Bühne folgen kann, weil vor mir hunderte von Smartphones in die Höhe gereckt werden, zum Teil während der gesamten Veranstaltung. 


Nun gut, Fotografen und ihre Dealer haben sich inzwischen auf spezielle Events in geschützten Bereichen zurückgezogen. Sie treffen sich z.B. in Duisburg, in Zingst, oder auf vielen kleinen Events. Hier wird alles rund um die Fotografie an einer Stelle angeboten. Interessierte informieren sich, probieren aus, kaufen, bekommen eine umfangreiche Einweisung und wer mehr will besucht einen oder mehr Fotoworkshops. Das ganze in einer relaxten Atmosphäre während der Partner oder die Partnerin eins der vielen Freizeitangebote nutzt. Gibt es schönere Urlaubsangebote für fotointeressierte Frauen und Männer?


So eine relaxte Atmosphäre hat man auch versucht in Köln zu simulieren, aber es gelang nicht. Aber wer sagt denn, dass es mit einem neuen Konzept nicht möglich sein soll ein Fotoevent mitten in Hamburg zu veranstalten, welches dieses spezielle Erlebnis bietet, wenn da Menschen mit viel Leidenschaft am Werke sind.

Aber die Hürde ist inzwischen zu hoch. Fotografie, so wie eingangs beschrieben, ist heute nicht mehr angesagt. Fotografie ist so verbreitet wie nie zuvor. Sie ist aber auch genau so beliebig wie nie zuvor. Die Selfiefotografen sind die Regel, und die Fotoapparatebediener sind zunehmend Exoten, wie diese Freaks, die man immer mal wieder trifft, wenn sie mit Stift oder Pinsel weiße Leinwände füllen.


Vielleicht hat sich die Fotoindustrie selbst den Strick geknüpft an dem sie nun hängt. Bei immer mehr Technik gelang der Prozess des Fotografierens, die Kreativität und das Erlebnis immer weiter in den Hintergrund, und wurde durch die moderne Selfiefotografie überflüssig. Schon lange ist die Kamera nicht mehr diese besondere Anschaffung zur Konfirmation, zur Geburt des Kindes und als Weihnachtsgeschenk taugt sie eh kaum noch.


Der sensitive Moment wenn man den Auslöser drückt, den Film weitertransportiert, ihn zurückspult und nach langer Wartezeit des Entwickelns schliesslich in den Händen hält, ist doch eine ganz spezielle Erfahrung. Und so sind es heute die Enkelkinder, die die alte Kamera von Opa in die Hand nehmen und die Fotografie für sich neu entdecken.

Nur, um sich auszutauschen und zu treffen brauchen sie keine Messehallen mehr, sondern verabreden sich in ihren Communities zu Streetwalks und hören auf ihren Smartphones als aktuelle Nr. 1 der Streamingcharts den Remix von Stumbelin’ in…

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