Wir haben den „Tag der offenen Museen“ genutzt, um die Fotoausstellung „Deutschland um 1980 - Fotografien aus einem fernen Land“ anzusehen. Wie der Titel sagt, war es eine Reise zurück in eine Phase meines Lebens, die sehr prägend war. Im Rückblick kann ich nur sagen es war eine bunte Phase mit sehr viel Toleranz.
Lange bevor „Menschen*:innen“ es für notwendig hielten, für spezielle Lebensformen neue Begriffe zu kreieren, waren Filme wie z.B. die Rocky Horror Picture Show“ ein Zeichen für die gelebte Toleranz. Nun gut, es gab auch Regeln zu beachten. Bestimmte Autoscooter auf den Volksfesten sollte man je nach äußerlichen Auftreten lieber meiden, wenn man Ärger aus dem Weg gehen wollte, aber es blieb genügend Raum, um sein eigenes Leben so zu gestalten, wie man es wollte, ob als Punks, die nach der obligatorischen „Mark“ fragten, als Popper, die einfach nur schön waren, oder die politisch sehr interessieren Jugendlichen, die kaum eine Demo ausliessen.
Speziell bei diesen jungen Menschen, die heute oftmals als „alte weiße Männer“ bezeichnet wurden, gab es viel Widerstand gegen Atomkraft, und viel Forderungen. wie z.B. für Gleichberechtigung oder auch für Frieden und Abrüstung - um nur einige Themen zu nennen.
Es war eine Zeit des HB-Männchens, Herrn Kaiser oder von Klementine, aber auch des Aufbegehrens, der Emanzipation und auch des Protestes - sei es durch die Kleidung, den Haarschnitt, dem Besetzen von Häusern oder den vielen Demos gegen die Atomkraft. Ost und West waren geteilt und der Kalte Krieg war allgegenwärtig. Es war aber auch eine Zeit des Terrorismus, in der ganze Flugzeuge oder bestimmte Politiker und Eliten der Gesellschaft entführt wurden um die eigene Ideologie durchzusetzen, und schreckten auch nicht davor zurück Menschen eiskalt hinzurichten, wenn es darum ging den Staat zu erpressen.
Kurz, es war eine Zeit der Gegensätze. Der Pop- und Spaßkultur stand eine große Angst und auch eine Untergangsstimmung gegenüber.
Viele Dinge, die damals angestossen wurden sind heute Bestandteil dessen was unsere Gesellschaft ausmacht. Und viele dieser Ereignisse wurden fotografiert und dokumentiert, und sind mit Bildern von zehn Fotografen aktuell im Altonaer Museum ausgestellt. Es sind Aufnahmen, die damals im Zuge von Reportagen und Dokumentationen in Zeitschriften oder Zeitungen erschienen sind, und für mich Erinnerungen an eine Zeit vor fast 45 Jahren, und heute Dokumente und Zeugnis der Geschichte, sind.
Für mich ist diese Ausstellung, deren Besuch unbedingt empfehlenswert ist, aber auch ein Beleg dafür, wie wichtig die Fotografie ist. Damals gab es den Begriff „Streetfotografie“, zumindest in Deutschland, noch nicht. Und heute halte ich die zeitgeschichtliche Dokumentarfotografie für einen wichtigen Bestandteil dieses inzwischen so populären Genres der Fotografie. Und wenn wir einmal zurück auf die klassischen Fotografen dieser Form der Fotografie gucken, dann sind es doch ganz oft auch diejenigen, die nichts anderes als den Alltag ihrer Zeit dokumentiert haben. Egal ob es Cartier-Bresson, oder Maier in der Frühzeit der Fotografier waren, oder eben jene Fotografen der aktuelle Ausstellung, sie alle waren immer Dokumentaristen ihrer Zeit.
Meiner Ansicht nach, schaffen sie unverzichtbare Dokumente, um Dinge für die Ewigkeit festzuhalten. Und dann bin ich wohl auch bei dem was mich in meiner Fotografie antreibt. Ich habe mich innerlich schon längst davon verabschiedet das Bild des Jahrhunderts aufzunehmen, wenn es das denn wirklich gibt. Aber was mich immer wieder auf die Straße zieht, ist es die vielen Bilder aufzunehmen, die das Jahrhundert beschreibt, in dem ich lebe. Dazu gehören dann auch Menschen und das von ihnen geschaffene Umfeld. Dabei werde ich aber, zumindest auf dem Papier, von dieser DSGVO ausgebremst. Dieses Gesetz soll Menschen davor schützen, in irgendeiner Form mit irgendwelchen Orten und Situationen zu bestimmten Zeiten in Verbindung gebracht zu werden. Im Zweifelsfall darf dieses Bild des einen Individuums, das z.B. gegen (vermeintliche) Unrechte durch Proteste aufbegehrt - Stichwort: „Er hat mir ins Gesicht fotografiert“ - nicht entstehen. Oder gehen wir in die Schulen und Kindergärten, in denen ganz viele Kinder fotografisch nicht mehr stattfinden, was sich dann auf vielen Feiern und Veranstaltungen im späteren Leben so fortsetzt. Nun gut, mit Sicherheit ist es nicht so wichtig das Lee oder Lou einen Einzug in die Geschichtsbücher finden, aber ich halte es für durchaus wichtig Modetrends oder gesellschaftliche Entwicklungen festzuhalten, und so wie damals Popper oder Punker gesellschaftsprägend waren, sind es heute bestimmt Menschen die z.B. einen androgynen Lebensstil führen, die die Gesellschaft wieder mal neu prägen werden.
Und so ist die Streetfotografie für mich nicht nur ein Zeitvertreib gelangweilter Fotokamerabesitzer, sondern eine Form Zeitgeschichte festzuhalten. Damit eine Bilderausstellung in 45 Jahren, wieder genauso interessant ist und gern besucht wird, und sich auch dann Jugenderinnerungen auftun werden - genau wie bei der aktuellen Ausstellung im Altonaer Museum „Deutschland um 1980 - Fotografien aus einem Fernern Land .
Comments