Im Moment läuft in Hamburg eine Bilderausstellung „100 Jahre Leica Fotografie“. Für mich als Liebhaber dieses Systems ist es eine Ehrensache diese Ausstellung zu besuchen. Es ist eine Revolution der Fotografie, die Oskar Barnack vor 100 Jahren einleitete. Mit der Leica entwickelte er die Ur-Mutter der modernen Fotoapparate. Endlich war der Fotograf mobil und war mittendrin im Geschehen. Völlig neue Motivwelten wurden entdeckt und das was später Streetfotografie heißen sollte, nahm seinen Ursprung. Traditionell ist M-Leica immer gleichbedeutend mit dem Olymp der Fotografie. Die Qualität des Systems gilt als Referenzklasse.
Aber das was ich in dieser Ausstellung gesehen habe, zeigt, dass Leica Fotografen eben auch nur mit Wasser kochen. Hier werden Bilder gezeigt, die oft auch eher von geringer Qualität sind. Sie sind zum Teil unscharf und schlecht belichtet. Aber sie sind eben mit einer Leica fotografiert. Immer wenn der Fotograf Zeit und Ruhe für die Aufnahme hatte, sind die Bilder perfekt, aber wehe wenn die Kamera dafür eingesetzt wurde, wofür sie gerühmt wird, zeigt sie Schwächen. Diese Erfahrung habe ich über mehrere Jahre selber machen müssen. Immer dann, wenn die Kamera brillieren sollte, in Situationen für die sie gebaut wurde, war die Ausbeute eher mau. Und so war ich auch erstaunt als ein Fotograf nach dem Fußball WM-Finale das Geschehen der Weltmeisterschaftsfeier mit einer M-Leica dokumentierte. Jetzt nachdem ich die Bildergebnisse selber im Buch gesehen habe bestätigt sich meine Vermutung, eine M-Leica ist einfach nicht geeignet in Situationen in denen es schnell gehen muss. Denn dann bringt auch das Weitwinkelobjektiv und dicht rangehen nichts. Was allerdings dem Gesamteindruck dieses Buches, welches in jeden Bücheschrank gehört, keinen Abbruch tut.
Für mich ist es aber unverständlich warum sich Handwerker bei der Wahl ihres Werkzeuges immer wieder vom Namen statt von der Qualität beeinflussen lassen. Die Bestätigung bekam ich gerade auf dem Silbertablett serviert. In der letzten Woche fand eine Fotoausstellung statt, in der eine Fotografenlegende Musiklegenden fotografierte. Der Fotograf, einer der ganz großen der Branche, wurde unlängst für Leica mit einer Mittelformatkamera ausgestattet, um für ein Projekt das S-System des Hauses zu propagieren. Er wurde nicht müde, zu erzählen, dass er die Digitalfotografie eigentlich ablehne, da sie nicht geeignet sei seine Art der Fotografie umzusetzen. Leica hatte ihn mit Geräten ausgestattet, die Fotos ermöglichen, die kaum noch zu toppen sind. Aber es ist eben Digitalfotografie. Nun könnte man meinen, dass dieser Fotograf zu seiner angestammten Art und Weise der Fotografie zurückkehrt um sich selber treu zu bleiben. Treu blieb er in der Wahl seiner Motive. Er mobilisierte Hamburger die mit und von der Musik leben, und fotografierte sie mit einer Koreanischen Spiegelreflexkamera, die eher dem Amateurbereich zuzuordnen ist. Aufnahmeformat und Bildqualität sind weit entfernt von dem, was der Fotograf für sich als Qualitätsanspruch propagiert. Wieder mal ein Fotograf, der die Wahl seines Werkzeugs von anderen Faktoren als von der Qualität abhängig macht.
Bei den oben genannten Beispielen und den eher suboptimalen Ergebnissen, würde kein Mensch die Frage stellen, die für die vielen guten aber oft nicht so bekannten Fotografen alltäglich ist: „Mit welcher Kamera hast Du das denn fotografiert?“
Denn die vielen Fotografen der zweiten und dritten Reihe erarbeiten ihre Bilder mit viel Akribie und unabhängig vom vermeidlichen Ruf der verwendeten Geräte. Schlechte Bilder können immer mit „Kunst“ oder der Absicht des Starfotografen erklärt werden, jedem „normalen Fotografen würden Bildfehler nicht verziehen.
Ich persönlich bin von den Ausstellungen enttäuscht, weder Namen noch benutzte Ausrüstung hielten was sie versprechen. Und deswegen ist die Entscheidung vieler Hobby- und Berufsfotografen für ein Kamerasystem welches sie oft nicht beherrschen und damit oft auch überfordert sind, für mich nicht nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist für mich dann aber die große Unzufriedenheit mit der völlig überproportionierten Ausrüstung. Besonders schade finde ich, dass viele Fotografen die Freude an der Fotografie aus diesen Gründen verlieren, und dann lieber mit dem Smartphone fotografieren.
Weihnachten war „früher“ ein Anlass für viele Menschen sich endlich den Wunsch nach einer Fotoausrüstung zu erfüllen. Ich würde mich freuen, wenn dies wieder der Fall wäre.
Mein Ratschlag in diesem Zusammenhang ist, nicht zu viel auf Andere zu hören, aus der Sache keine Wissenschaft zu machen und den eigenen Bauch entscheiden zu lassen.
Denn das Bild macht der Fotograf und nicht die Kamera. In diesem Sinne, frohe Weihnachten und viel Spaß mit der neuen Kamera.
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