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AutorenbildWolfgang Baus

Betrachtungen zum Thema Filmfotografie

Eine Geschichte voller falscher Einschätzungen - oder „Sag niemals nie“ in der Fotografie.





„Hättest du das gedacht…?“ und „Hättest du es damals nur gemacht…“, sind zwei so Sprüche, die wohl jeder kennt. Da ist man doch vermeintlich der absolute Spezialist auf seine Gebiet, in meinem ist es wohl die Fotografie, und ist der Meinung die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, und dann kommt es doch anders als man denkt.


Ich hatte mal die Idee in einem dichtbesiedelten Hamburger Stadtteil mit hoher Kaufkraft einen Laden für analoge gebrauchte Kameras und Instax Produkte zu eröffnen.

Gerade diese Produkte hielt ich vor rund 5-6 Jahren für so attraktiv, dass es sich lohnen würde solche Produkte in diesem kreative Stadtteil zu eröffnen. Dieser Teil ist bunt durchmischt, und auch viele Künstler leben hier, es würden also auch analoge Kameras gut zu diesem Konzept passen.Obwohl ich ja sehr gezweifelt habe, als das Instax System vorgestellt wurde. Schliesslich hatte ich den Untergang von Polaroid doch Live mitbekommen. Ich sollte mich irren, denn trotz, oder sogar eben wegen der Digitalfotografie, erfreute sich dieses System, mit immer neuen Kameras und Bildformaten, zunehmender Beliebtheit. Die junge Zielgruppe will zunehmend wieder Bilder in der Hand halten und nicht Dateien erzeugen deren Verbleib im Zweifelsfall nicht beherrschbar ist.

Naja, und nachdem die Lomografie die kleine Flamme der analogen Fotografie ständig am Glimmen gehalten hat, wurde auch die Lomo-Generation erwachsen, und viele junge Menschen entdeckten die Fotografie mit den alten Kameras der Eltern- und Großelterngeneration. Diese Leute galt es mit heisser Ware zu versorgen. 

Andere haben nicht gewartet und gezweifelt, sondern gemacht, und so sind an verschiedenen Orten Fotogeschäfte, ausschliesslich für die analoge Fotografie eröffnet worden. Mit Khrome in Hamburg, Click und Surr in Berlin oder die Leute in Finnland von camera rescue kann ich nur die Spitze des Eisbergs nennen, der inzwischen enorm angewachsen ist.


Pentax, Canon, Minolta, Olympus, Yashica und auch Contax waren die Hersteller, die vor 20-40 Jahren die tollsten Kameras, in großen Mengen auf den Markt gebracht haben und auch heute noch massenhaft in Umlauf sind. Liebhaber können für wenig Geld Kameras kaufen, für die Opa oder Papa monatelang sparen mussten und dann ein Vermögen ausgegeben haben. (Sorry liebe Damen, aber das Fotohobby war zu dieser Zeit fast ausschliesslich dem männlichen Teil des Haushaltsvorstands vorgesehen. Mutti bekam dafür dann einen Saugblaser Heinzelmann).

Die Kameras sind gleichgeblieben, aber die typischen Kunden haben sich in zwei Generationen deutlich gewandelt. War damals eine Spiegelreflexkamera das Heiligtum der Familie, welches auch nur mit äußerster Vorsicht angefasst werden durfte, während Vati über Programmautomatiken, Winder, Motoren und Elektronenblitzgeräte dozierte, sind es heute vornehmlich junge Menschen, die die Liebe an der Filmfotografie feiern. Fotografie ist nicht mehr nur ein Schwadronieren über Technik sondern ein eher spontaner, kreativer Prozess, der inzwischen völlig unabhängig ob Frau oder Mann und all dem dazwischen betrieben wird. 


Die Kamera wird jetzt ganz anders gefeiert. Sie ist nicht mehr der heilige Gral, sondern eher der gute Kumpel. Und wenn wir damals die Feinkörnigkeit von ISO 25 Filmen, die Farbigkeit von Kodachrome Diafilmen oder die neue T-Grain Kristalle für immer neuere Filme, mit steigender Empfindlichkeit, gefeiert haben, darf der Film jetzt gern mal abgelaufen oder durch die Röntgenstrahlung am Flughafen zerstört sein. Der Perfektionismus der analogen Fotografie ist vor rund 20 Jahren mit den letzen Film-Kameras begraben worden. Geblieben sind die mit Filmen belegten Gemüseschalen in den Kühlschränken, nur lagern dort jetzt echte Werte. Denn Filmfotografie ist nicht so ganz billig. Ganz grob kann man sagen, dass die Kosten für Film und Entwicklung sich ungefähr vervierfacht haben. Wobei das aber nur Menschen wie mich interessiert, denn die heutige Generation von Filmfotografen kennt diesen Vergleich ja gar nicht. So und in diese homogene und lustige Community kommt der Kamerahersteller Ricoh Imaging und kündigt mit dem "Film Camera Project" eine neue, also eine niegelnagelneue, Kamera für solche Filme an. Nun bin ich, wie oben erwähnt, einer jener Menschen, die die Filmfotografie für sich beerdigt haben, denn die Digitalfotografie ist soviel moderner, soviel perfekter, soviel einfacher, soviel preiswerter und soviel andere Dinge besser als es die Film-Fotografie je war, und je sein wird. Echte, also richtig ernst gemeinte Fotografie kann in meiner Meinung nur so gehen. 

Und wer unbedingt der Meinung ist, auf Film fotografieren zu müssen, findet doch alles auf dem Gebrauchtmarkt. Also Pentax, was soll das mit einer neuen Kamera? Nun gut, inzwischen hat das Baby mit dem Namen Pentax 17, dieses Designers aus Japan mit dem Nickname TKO, das Licht der Welt erblickt, und alles ist in hellster Aufregung, und zwar die „alten, weißen Männer der Fotografie“, die meinen, genau wie ich, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, und auch diese jungen Leute, die doch gemeinhin als Digitalgeneration verschrieen sind.

Die alten Männer, die in ihrem Leben schon tausende Diafilme belichtet haben (und Familie und Freunde mit endlos langen Diaabenden genervt haben), die jungen Leute, die die Film-Fotografie aus Opposition zum Gesamttrend der Gesellschaft betreiben, und nicht zuletzt die, die, die jetzt eine Möglichkeit sehen, Abenteuer fernab der digitalbestimmten Freizeitgestaltung, zu erleben. Denn eins ist mal klar, während auf der einen Seite ganz vielen Menschen, aber jeder einsam und für sich alleine, in sogenannten Arenen, virtuellen Kreaturen hinterherjagen, sind es vornehmlich junge Menschen die sich in Geschäften wie bei Khrome in Hamburg treffen, und dort über ganz banale Dinge wie dem neusten Phoenix Film von Harman, und auch viele andere Themen der analogen Fotografie philosophieren. Und genau  für diese Menschen hat der Designer, der sich TKO nennen lässt, diese neue Kamera entwickelt. Sie ist ganz einfach gestaltet und hat nicht zuletzt auch die Aufgabe, die Basis der Film-Fotografen zu vergrößern. So wie es damals mit der Pentax K-1000 gelungen ist, die über 20 Jahre lang für wenig Geld erhältlich war, und die Fotografie für jedermann zugänglich machte.

Wenn es diesem Mann aus Japan gelingt, wird es damit eine Revolution in der Fotografie geben. Denn wie schon geschrieben, die Lichtbildnerei mit Fotokameras wird zunehmend von KI generierten Abbildungen abgelöst werden, und Fotografen werden einen ähnlichen Status wie Kunstmaler und Zeichner bekommen, die an den Straßen stehen und die echte und wirkliche Welt abbilden. Mit diesen Bildern werden die Communities, wie z.B. Instagram oder Facebook, gefüttert, und damit den KI-Datensammlern die Nahrung geliefert, um immer aktuelle Dateien zu errechnen, wenn nur die passenden Parameter gepromptet werden. 


Aber trotzdem stellte sich mir die Frage, warum um Himmelswillen jetzt Filmfotografie einen neuen  Boom erleben soll, wo doch alle Prozesse optimiert sind.

Hallo, über was reden wir? 100 Megapixel, ISO Bereiche von denen man in Film-Zeiten nur wußte, dass es sie theoretisch gibt, Bilder in Sekundenbruchteilen verfügbar im Internet, bereit mit der Welt geteilt zu werden, naja und dann die KI, die alles dies überflüssig macht und ich bequem jeden Bild vorm Computer prompten kann. Die aktuelle Smartphonewerbung zeigt es doch wo die Reise hingeht. Menschen werden auf Bildern ausgetauscht, störende Elemente ausgelöscht, und auch Bildbearbeitungsprogramme, bringen doch inzwischen Sommersonnenschein in die wüstesten Herbstbilder. Ehrlich mal, wozu braucht man da noch eine neue analoge Kamera?

Gerade deswegen.


Fotografie kann ein sehr kreativer Prozess sein, der mehr als nur eine Bilddatenerzeugung ist. Diese Erfahrung habe ich auf zwei Photopia Messen auf dem Messetand von Khrome - dem Khromeland, erlebt. 

Die Besuche dort haben mich überzeugt, dass da was dran sein kann an dem „Analog Projekt“ von Ricoh Imaging. Ich habe meine alte Espio Mini herausgesucht und mal wieder Filme belichtet.


Alle Bilder mit Espio mini


Das hat schon Spaß gemacht, aber richtig geflasht wurde ich als ich die ersten Bilder in der Hand hielt, die ich mit der Pentax 17 aufgenommen habe. Naja so fast, denn es war schon auch viel Ausschuss beim ersten Film dabei. Die Kamera hat halt keinen Autofokus. Aber ab Film zwei hatte ich dann auch das Zonenfokussystem im Griff, und spätestens bei Film drei war ich angekommen. Und das ich dann doch auch Ausschuß hatte, ist ja halb so schlimm. Dank des Halbformats, bekomme ich auf meinem 36er Film 72 Aufnahmen. Ehrlicherweise muss ich gestehen, den Film drei musste ich bei Aufnahme 60 zurückspulen, weil ich so gespannt auf da Ergebnis war.

Ich verstand mittlerweile was den Charme solcher analoger Fotos im Gegensatz zu meinen Digitalbildern ausmacht. Mein Set-up war gefunden. Kodak Gold, mit 24 Bildern, entwickelt bei . Film abgeben und Scans bekommen dauert so zwischen 2-4 Tagen, und bei Bedarf kann ich ja schnell die Farbbilder in Schwarzweiss konvertieren, dank des Bildbearbeitungsprogramme auf meinem Rechner.



Alle Aufnahmen Pentax 17


Auch wenn ich es komplett ausgeschlossen habe Schwarzweissfilme zu benutzen, wollte ich trotzdem den Ilford FP4 ausprobieren, den ich als Testfilm bekommen habe, und habe ihn für verschiedene Motive benutzt. Auf die SW Entwicklung musste ich Schon etwas länger warten, der ist nicht so üblich, wie der C41 Prozess. Um so überraschter war ich, was ich nach einer Woche als Scan zugeschickt, und auf dem Tablett zu sehen bekam. Hatte ich mich bisher schon sehr mit der analogen Fotografie angefreundet, und konnte mir durchaus vorstellen hier und da mal einen Film zu belichten, stellte dieser Film bei mir alles auf den Kopf. Alles was ich bisher über Film-Fotografie dachte, von wegen elektronischer Bildbearbeitung und jeder Film ist doch in Photoshop zu simulieren, war mit wenigen Blicken vergessen.Pentax, also TKO, sagt dazu in einem seiner Videos, Bilder, die mit unseren Kameras entstehen kann man nicht mit Zahlen bewerten, es sind andere Werte die sich hierin wiederfinden.Und ja er hat Recht, wenn ich die ganzen jungen Menschen erlebe, dann sind das Emotionen und Gefühle, die dort herrsche, es wird sich nicht über Nullen und Einsen unterhalten, sondern über echte reelle Erinnerungen, die dort gemeinsam geteilt werden. Es sind Bilder die so unvollkommen sind, und somit einen Gegenpol zu unserer täglichen digitalen Welt. bilden. Vielleicht ist dies auch der Grund, dass es inzwischen wieder viele kommerzielle Projekte gibt, wie z.B. für Werbeaufnahmen, die wieder komplett analog produziert werden 

Und so habe ich selber erfahren, dass all diese Vorurteile, Voreingenommenheiten und Konditionierungen uns nur hemmen. Die digitale Fotografie ist inzwischen ein hochtechnischer Prozess, der nicht selten seiner selbst betrieben wird. Die Film-Fotografie ist jedoch eher das Einfangen und Teilen von Emotionen und Gefühlen. 

Es wird eine neue Generation von Fotografen geben. Für mich schliesst sich der Kreis, an dessen Anfang ich vor über 40 Jahren Agfa Optima Kameras verkaufte und jetzt mit der Pentax 17 wieder genau da angekommen bin. Die Pentax 17 wird mit einem Schwarzweißfilm geladen, einen festen Platz in meiner Fototasche bekommen.


Alle Aufnahmen mit Pentax 17


Es geht wieder los, mit Generationen von Fotografen, der Leidenschaft das Bilder machen ist. Eine Neuauflage der Rollei 35 ist für den Herbst angekündigt, und laut Unternehmenskommunikation von Ricoh Imaging wird es wohl eine Fortführung des „Analog Projekts geben.


Wie gut, dass ich mit meinen Meinungen und Einschätzungen immer wieder daneben liege (wohl ein Grund warum ich auch in jedem Fußballtippspiel versage).


Danke TKO - es ist wieder Zeit für Film… 

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1 Comment


Vielen Dank für den Artikel. Ein schöner, persönlicher Einblick in die Wiederentdeckung der analogen Fotografie. Auch ich bin mit Diafilm und Papierabzügen sozialisiert worden,habe dann aber die analoge Fotografie zu Gunsten der vielen Vorteile der digitalen Fotografie aufgegeben, bis ich vor drei Jahren über eine Pentax MX und Mz-5n die Magie von Film wieder entdeckt habe. Daher kann ich mich auch sehr über die 17 freuen und den Umstand, wie das Interesse an an dem Thema steigt. Und auch, dass Pentax als Marke wieder im Gespräch ist.

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